Die Erotik des Zugfahrens

Seit neuestem entdecke ich meine Leidenschaft zum ungenierten Flirten. Auf dem Bahnsteig entdeckte ich ihn kurz, dann schaffte er es sich genauso im Zug zu platzieren, dass er mich durch einem Spalt zwischen den gegenüberliegenden Sitze beobachten konnte. Ich entdeckte und erwische ihn dabei, schaute aber einfach nicht weg, schaute ihn an. Leicht verschämt blickte er weg, doch nicht lange. Immer wieder in kurzen Abständen begegneten sich unsere Blicke in langer Form. Dazwischen beobachtete ich genüsslich, das Wenige, was ich von seinem Körper sah, die leichte Muskulatur, die sich unter seinem T-Shirt abzeichnete, seine kräftigen Hände mit leichter Muskelprägung und Behaarung, seinen Atem, der vieles sagte, wie die Anzeichen leichter Erregung. Immer wieder begegneten sich unsere Blicke immer ungenierter. Meine Vorstellungen waren angeregt und stellten sich zarte Berührungen vor. Auch mein Atem war im erregten Zustand. Keiner drum herum bemerkte die ungenierten Blicke, die immer wieder miteinander spielten… dreieinhalb Stunden lang, die wie im Fluge vergingen. An meinem Bahnhof angekommen, verabschiedete ich mich mit einem eindeutigen Lächeln und ging meines Weges. Doch das war erst das Vorspiel des Schicksals, welches sich auf der Rückfahrt noch an Spannung mit einem anderen Menschen übertraf.

Auf der Rückfahrt hatte ich vorerst das Glück einen Zweiersitz für mich alleine zu haben. Genüsslich hörte ich über Kopfhörer Musik mit anregenden Tangoklängen voller Emotionen. Ganz dreist hatte ich meinen Mantel und meine Tasche neben mich auf den Sitz gelegt, bei Frankfurt wurde der Zug voller, doch keiner der Vorbeigehenden, traute sich zu fragen, ob der Platz neben mir noch frei sei und ich dachte nur ganz frech, ich suche mir den, den ich neben mir sitzen haben will aus. Kaum den Gedanken zu Ende gedacht, stand er da. Ein charismatischer Mann mit charmanter individueller Ausstrahlung und er zögerte bei meiner Entdeckung keine Sekunde, mich nach dem freien Platz zu fragen, den er von mir, ohne jegliche Widersprüche, liebend gerne bekam.

Kurz versuchte er ein Gespräch zu beginnen, doch ich hatte gerade meinen bockigen eigensinnigen Augenblick, keine Lust auf ein Gespräch und konnte den Klängen meiner Musik nicht widerstehen. So gab ich mich in unserer ersten Redepause einfach wieder der Musik aus meinen Kopfhörern und meinen Träumen hin, schwelgte völlig in den Klängen der anderen Welt.

Doch seine Nähe war spürbar und plötzlich wurde mir erst bewusst, dass er seinen Ellenbogen auf der Armlehne einfach neben meinen platziert hatte. Wir berührten uns und ich spürte eine gewisse Hitze aus dieser Berührung heraus. Sie ließ meinem Atem ein wenig in Wallung kommen. Da wir beide in gleicher Richtung saßen, traute ich mich nur selten ihn anzublicken, doch ich merkte, wie er mich beim vorgetäuschten Blick durchs Fenster, beobachtete. Und plötzlich sah ich, dass auch sein Knie weit über seine Sitzfläche vorne hinaus wanderte und spürte wie er meine Wade berührte. Ich zog mein Bein nicht weg, ich ließ es wo es war. War das unbewusster Zufall oder pure Absicht? Unauffällig ließ ich ab und an meinen Blick nach unten rechts von mir schweifen. Betrachte seine ganz leicht gebräunten, kräftigen Hände mit der erregenden Vorstellung, wie diese sich auf meinem Körper bewegen würden. Ich schweifte weiter und sah wie sich etwas unter seiner Hose abzeichnete, er versteckte es zum Gang hin, indem er es leicht mit seinem Arm verdeckte, doch nicht vor mir. Es schien ihm warm zu werden, erst befreite er sich von seiner Krawatte, später von seinem Jackett. Fläzte sich gemütlich in den Sitz, mit angezogenem rechtem Knie, platzierte aber immer wieder seinen Ellenbogen, fast Haut an Haut, an meinen und sein Knie an mein Bein.

Meine Phantasie ging mehr und mehr mit mir durch. Diese Berührungen konnten nur Absicht sein. Ich genoss die Hitze, die die Berührungspunkte in fast verbrennender Weise ausstrahlten, schwelgte in meiner Musik, schmunzelte vor mich hin, aber wich der Berührung keinen Millimeter aus, ganz im Gegenteil, ich verstärkte ab und an, ganz dezent, den Gegendruck. Zwei Mal erwischte ich ihn bei meiner deutlichen Beobachtung und er schaute schnell ein winzig kleines bisschen verschämt, frech grinsend nach unten. Weiter beobachtete ich alles, was an ihm zu sehen war. Seine Kleidung, garantiert ein Maßanzug in sehr individuellem Stoff in einem besonderen recht ungewöhnlichen Blauton, sein Stofftuch, seine so provokant eigentlich nicht ganz passenden Socken, die aber in der Provokanz dann doch wieder perfekt passten. Seine Hände faszinierten mich am meisten, ich verzehrte mich regelrecht danach von ihnen berührt zu werden. Die Zeit verging und doch genoss ich ausschweifend jede Sekunde. Spürte immer wieder meinen erregten Atem, meine Brust, die sich mit ihm hob und senkte, mein leichtes genussvolles Lächeln, welches nicht von meinem Gesicht weichen wollte, spielte mit tänzerischen Fingerbewegungen mit dem Kabel meiner Kopfhörer, strich mir zart über die Lippen meines Mundes und genoss meine Erregung im Tangoklang der Musik aus einer anderen Welt. Ich sah wie seine Hand nun deutlich seitlich neben sein linkes Bein wanderte und nur noch einen halben Zentimeter der Berührung meiner fern war. Ich spürte die Hitze seines Körpers auch ohne die Berührung und war kurz davor ihn willenlos zu überfallen.

Meine Phantasie raste mit mir durch, schnell als die Geschwindigkeit des ICE’s. Jedes Ruckeln der Zugfahrt, nutze ich heimlich aus, um ihn zufällig mehr und mehr zu berühren, er tat Selbiges und wir Grinsten vor uns hin.

Von außen betrachtet hätte uns fast jeder für zwei Menschen gehalten, die sich kennen und wie selbstverständlich berühren, doch wir kannten uns nicht, hatten kaum Worte miteinander gewechselt, selbst unsere Blicke waren nur wenige, ganz im Gegensatz zu unseren deutlichen Berührungen. Ich spürte die Feuchtigkeit zwischen meinen Beinen, stellte mir vor, wie er mit seiner Hand ganz langsam Millimeter für Millimeter unter meinen Rock wandert und mich zart ertastet, berührt, mit seinen Fingern erforscht, spielerisch auf meinen Beinen mit ihnen spazieren geht. Doch seine tatsächliche Hand befand sich noch immer einen halben Zentimeter von meinem Bein entfernt. Nur beim ach so zufälligen Zugruckeln berührte sie immer wieder kurz mein Bein. Die Berührung kam einer Verbrennung nahe, eine Verbrennung der aufregendsten Art. Ich faste meinen Mut ein klein wenig und wanderte mit meiner Hand in winzigen Millimetern, kaum sichtbar, nur in Zeitlupe, nach und nach neben meinen rechten Oberschenkel.

Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit und dann befand sich nur noch ein Millimeter Raum zwischen unseren Händen und keine Sekunde später, keiner mehr. Unsere Handrücken begegneten sich und verglühten fast miteinander, sein kleiner Finger wanderte deutlich aber ganz zaghaft, er streichelte meine Hand. Es überkam mich fast eine Atemnot, eine fürchterlich erregende. Wir berührten uns am Ellenbogen, am Bein und unsere Finger spielten ganz ganz zart miteinander. Das alles ereignete sich zwei volle Stunden lang – zwei Stunden mit winzigen aber doch unendlich sinnlichen Berührungen.

Als der Zug unserem Ziel näher kam, löste ich mich von meiner Musik. Wir unterhielten uns, als hätten wir uns nie berührt. Plötzlich waren wir wieder in der alltäglichen  Schüchternheit, die uns davon abhielt, einfach geradeheraus zu tun wonach uns eigentlich war. Wir siezten uns, sprachen über das fürchterliche Flugzeugunglück, was an diesem Tag geschah und ich erwähnte, dass es doch wunderbar sei unter den Lebenden dieser Welt zu sein. Er holte mir gentlemanlike meinen Koffer vom Gepäckkorb, machte eine spitze süße Bemerkung über das Gewicht von Frauenkoffern, half mir in den Mantel und berührte mich auch hierbei unauffällig. Wir stiegen aus, wünschten uns gegenseitig einen wundervollen Abend und gingen unserer Wege.

Noch Stunden und Tage später fragte ich mich, warum ich ihn nicht einfach gefragt habe… An einem Tag stürzt ein Flugzeug ab und vielleicht soll es uns bewusst machen, wie kurz das Leben ist – Wie heißt es so schön „carpe diem“ – nutze den Tag, lebe jeden Tag, als wäre es dein letzter, was haben wir eigentlich zu verlieren? Was hätte er wohl gesagt, wenn ich ihn gefragt hätte, was er heute tun würde, wenn er wüsste, dass heute sein letzter Tag sei? Seine Antwort hätte ich mehr als gerne gewusst aber ich werde es nie erfahren, denn ich habe mich nicht getraut zu fragen.

Wir kennen uns nicht aber wir haben uns auf wundervolle Art zwei Stunden lang berührt, zwei Stunden voller Erregung, die ich so schnell nicht vergessen werde. Beim kleinsten Gedanken an diese zwei Stunden strömt ein genussvoller Schauer vibrierend durch meinen ganzen Körper, der mich feucht werden lässt.

Das nächste Mal werde ich die Frage stellen, dass verspreche ich mir hiermit heute selber!

März 2015

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