Ein Forenbeitrag, den ich auf Joy veröffentlichte, leider löschte ihn ein Moderator und so würde ich mich sehr freuen, wenn sich hier einige am Gespräch dazu beteiligen möchten:
Hallo alle zusammen,
ich möchte für alle diejenigen, denen es ein Bedürfnis ist, die eigenen (und vielleicht auch bei anderen), tiefen psychologischen Hintergründe, der Sehnsucht BDSM zu leben, ein paar Hypothesen in den Raum stellen, eine Diskussion anregen aber auch mein Bild, meiner bisherigen Hypothesen, damit vielleicht vervollständigen, erweitern und weitere Denkinspirationen für mich daraus schöpfen.
Vorab möchte ich sagen, dass ich weiß, dass es einige einfach nur leben, vielleicht auch ihre Hintergründe gar nicht wissen wollen und ich das ebenso völlig in Ordnung finde, weil das jeder für sich selber entscheiden muss, wie viel er über sich und die möglichen Tiefen seiner natürlichen Geschichte wissen möchte.
Kurz zu mir: ich bezeichne mich immer noch als Greenhorn, denn ich entdeckte meine Sehnsucht, meine devote Seite leben zu wollen, erst im Sommer 2015 wirklich. Ich arbeite viel im psychologischen Kontext und schon alleine aus meiner „Berufskrankheit“ heraus, bin ich selber mein allerliebstes Analyseobjekt. Ich habe das große Glück, dass ich in meinem ersten Herrn einen Menschen fand, der dieses Interesse des psychologischen Analysierens absolut mit mir teilt. Mit ihm habe ich im letzten Sommer eine Reise angetreten in die tiefen meiner Geschichte, durch einige Tränenländer und wieder hinaus, mit insbesondere emotionalen Erkenntnissen meiner Selbst, die mich und mein Leben auf wundervolle Weise veränderten. Parallel habe ich hier einige tolle Menschen (w&m) zum Freund gewonnen, die mir auch viel über ihre Geschichten erzählten, womit ich immer wieder Inspirationen gewann, die meine Hypothesen erweiterten.
So, nun beginne ich erst mal ganz provokant, was ich aber gleich relativieren werde und zwar stelle ich die Hypothese in den Raum, dass der Ursprung unserer Sehnsucht, egal ob jemand den devoten Part oder den dominanten Part lebt, ein Missbrauch in der Kindheit ist.
Uhhhh ich fühle regelrecht beim Schreiben dieses Satzes, wie gerade einige wahrscheinlich kurz davor sind, vielleicht in die Luft zu gehen… bitte bitte atmet nochmal kurz durch und lest erst mal weiter…
…denn, ich habe absichtlich erst mal kein Adjektivwort vor den Missbrauch gestellt! Was wir alle kennen, bzw. wissen, was gemeint ist, ist der sexuelle und körperliche Missbrauch und auch wenn es hier in Joy einige Menschen gibt, die das tragischer weise erlebt haben, möchte ich genau die Arten von Missbrauch hier heute nicht in den Fokus setzen! …denn es gibt noch weitaus mehr Arten von Missbrauch.
Was meine Hypothese angeht, möchte ich hier heute den emotionalen Missbrauch im Fokus betrachten. Doch noch ein Aspekt kurz zuvor. Noch vor dem Sommer definierte ich zugegebener Maßen Missbrauch allgemein, als etwas, was mit Absicht oder Vorsatz geschehen ist, nach dem letzten Sommer und einigen Recherchen in meiner Geschichte und der Literatur, betrachte ich es nun anders, nur bezogen auf den emotionalen Missbrauch. Heute denke ich, dass dieser durchaus völlig unbeabsichtigt sein kann und es viel öfters als wir ahnen oder uns bewusst ist, geschieht, denn unsere Eltern haben auch ihre Geschichten, aus denen sie oft auch unbewusst handeln.
Für alle die sich diesbezüglich nicht gut auskennen, möchte ich hier erst mal einiges zur Definition sagen und einige Beispiele geben. Kurz und recht frei formuliert, möchte ich emotionalen Missbrauch als eine oder viele Situationen in der Kindheit/Jugend beschreiben, in der das Kind/der Jugendliche emotional völlig überfordert war. Um es besser zu verstehen, versucht euch, soweit es geht, doch mal kurz von eurem emotionalem Erwachsen sein, was durch eure Erfahrungen gewachsen ist, emotional zu distanzieren und euch in das Fühlen eines Kindes hinein zu versetzen, wenn ihr nun ein paar völlig unterschiedliche kurz angerissene Beispiele lest:
Stellt euch z.B. ein Kind vor was oft Sätze hört wie „Aus dir wird ja nie was“, „Jetzt streng dich doch mal an“, „Stell dich nicht so an“, „Du störst“, “Wie blöd kann man eigentlich sein?”, “Spinnst du?”, “Du Heulsuse”, „Du bist fett. Du bist dumm. Du bist hässlich.“, etc.. Stellt euch ein Kind vor, das erniedrigt, eingeschüchtert oder abgewertet wurde, ein Kind, das Ablehnung erfährt. Oder ein Kind dass durch eine familiäre Situation, z.B. schwer erkrankter Elternteil, sehr schnell in der Erwartung steht, erwachsen zu handeln, für ein Eltern oder Geschwisterteil mit zu sorgen, den Kampf gegen eine schwere Krankheit eines Elternteils, welche zum Tode führt, hilflos miterlebt…. Oder ein Kind, dessen Eltern, bedingt durch ihre eigenen Geschichten, nicht in der Lage sind emotionale und oder körperliche Liebe zu zeigen….. Ein Kind, was in den Scheidungskampf seiner Eltern mit rein gezogen wird oder auch nur in alltägliche Streitigkeiten dieser…. Oder ein Kind, das durch spezifische Merkmale wie z.B. rote Haare, außergewöhnliche Allergien, Behinderungen und ähnliches, ganz schnell von anderen Kindern zum Sonderling abgestempelt wird und hilflos in die Rolle des Außenseiters kommt und keine Unterstützung von seinen Eltern erfährt…. und tausende von ähnlichen Situationen geschehen Tag täglich… nicht jedem, nicht allen, aber einigen… und diese hinterlassen ihre Spuren in unseren Seelen.
Solche Erlebnisse könnten unterschiedlichste Gefühle bei einem Kind/Jugendlichen hervorrufen wie z.B. Hilflosigkeit, Angst, Verzweiflung, Machtlosigkeit, Wut, Hass, das Gefühl nichts wert zu sein, niemandem zu genügen, nicht der Liebe würdig zu sein, wertlos zu sein usw.. Aus diesen Gefühlen heraus resultieren im Laufe der Entwicklung bewusste und unbewusste Entschlüsse in Abhängigkeit von dem individuellen Gesamtkontext in dem ein Mensch aufwächst, eventuell auch mit durch seine Genanlagen mit beeinflusst. Der eine trägt zum Beispiel, vielleicht unbewusst, das ewige Gefühl nicht der Liebe wert zu sein in sich, der andere beschließt bewusst, nie wieder die Kontrolle abgeben zu wollen. Ich vermute, dass genau in der Entwicklungsphase, in der aus Erlebtem Resultate bewusst oder unbewusst gezogen werden, der Grundstein für eine eher devote oder dominante Persönlichkeit entsteht, gleichzeitig aber auch in der Unterscheidung unseres alltäglichen Lebens, unseres emotionalen Lebens und unseres körperlich erotischen Leben, was ja durchaus oft im extremen Kontrast stehen kann.
Bis zu dieser Stelle haben sich in meiner Einschätzung meine Selbst- und Umfeldforschungen relativ fundiert. Nun stehe ich an einem Punkt, an dem ich mir noch nicht alles so klar erklären kann und sich meine Hypothesen auch sehr viel mit Fragen vermischen werden.
Auch wenn ich im alltäglichen eher relativ dominant agiere, mein Gefühlsleben sich oft zwischen Selbstsicherheit und Unsicherheit hin und her bewegt, erregt mich kaum etwas mehr, als meinen devoten gefundenen Kern leben zu dürfen, hinein geführt zu werden, zu knien, gefesselt zu sein, mich zu unterwerfen, meine Hilflosigkeit zu genießen, mich auszuliefern und mich hinzugeben. Also theoretisch begebe ich mich ja damit im heute freiwillig und absolut gewollt, zurück in emotionale Situationen meiner Kindheit, in denen ich damals völlig überfordert war und die für mich als Kind mit Sicherheit nicht schön waren.
Auch wenn ich schon so weit bin, dass ich es akzeptieren kann, dass es so ist, stellt sich für mich immer wieder, die mich wirklich amüsant verwirrende Frage, warum erregt mich das so tierisch???
So wirklich kann ich mir diese Frage noch nicht beantworten….?
Nach Antwort suchend, warum mich BDSM generell fasziniert, auch im ständigen sehr offenen Gespräch mit meinem Herrn, sind unter anderem bisher zwei noch etwas schwammige Hypothesen entstanden.
Die eine Hypothese ist, dass ich mich danach sehne, noch tiefer in mich hinein zu sehen, Geheimnisse zu lüften, Erinnerungen hoch zu holen, sie im heute und jetzt anders zu verarbeiten und mich damit Stück für Stück ein klein wenig mehr zu heilen. Diesen Weg bin ich schon eine Weile gegangen, was mir sehr geholfen hat und zu wertvollen emotionalen Veränderungen führte, also einen Teil der Frage beantwortet es für mich….
Ein weiterer Hypothesenansatz ist, dass ich mich heute freiwillig, relativ kontrollierbar, da hinein begebe und in meinem Herrn, insbesondere in seinem Auffangen und seiner Liebe zu mir, das erlebe und bekomme, was mir damals als Kind unendlich gefehlt hat, also damalige große Defizite im heute nach und nach auffülle, alte Erfahrungen gefühlsmäßig mit neuem überschreibe. Ich vertraue ihm tiefer als je jemand zuvor, ich zog mich nicht nur aus, ich zog meine Seele vor ihm aus. Er kennt und liebt all meine manchmal so kontrastreichen Facetten meiner Persönlichkeit. Meine Tränen sind Geschenke für ihn, meine Liebe und meine Lust im gleichen Maße. Er kommt mit all meinen Ecken und Kanten klar, weil er sie im Kontext versteht. Und er erzählte mir auch genauso seine Geschichte, was insgesamt ein tiefes Band entstehen ließ, was ich in der Form nie zuvor verspürte.
Nur für mich selbst betrachtet ist an beiden meiner letzten Hypothesen viel dran, für euch vielleicht auch oder auch gar nichts? Ich bin hochgradig neugierig, wie ihr meine Hypothesen betrachtet, ob ihr euch teils oder auch sehr viel wiederfindet oder auch gar nicht… ob ihr noch völlig andere Hypothesen habt… und und und…
Als Gesamtfazit für mich (jeder nach seiner Fasson!) ist BDSM leben, etwas was ein unglaubliches Entwicklungspotential am Wachstum unserer Persönlichkeit, unseres Seins und insbesondere unseres Glücklich Seins haben kann.
Danke, dass ihr durchgehalten hab, sooooooooooooooooo viel zu lesen…. *anbet*
Freue mich auf euer Feedback….
Viele Grüße von der Literaturfee
windgeliebte
15. März 2016 — 20:30
Lieben Dank für Deine Offenheit und den Mut den Deine Thesen zeigen und erfordern. Langsam erst schälen sich meine eignen Bilder aus den Träumen, deren Umrisse ich in meiner Vergangenheit finde. Waren es erst Ketten, langsam werden aus ihnen Larven, was werden sie sein nach der Häutung?
Denn ich erlebe die Bilder als sich verwandelnde und langsam werden sie deutlicher (ich habe ein intensives Verhältnis zu meinen Träumen, manche wie Worte, die durch die Gefühle tasten, andre bloße Farben, manche wie Szenen. Ich fühle und sehe wie die erlebten, durchlebten Tage sich mischen, ihre harten Schnitte verlieren, weicher werden).
Animalia
15. Februar 2016 — 23:24
Kontrolle/ Macht- Vertrauen/Sicherheit – die Kernthemen des BDSM
Jeder wurde in diese Welt hineingeboren und war zuerst der Willkür und Gnade seiner Bezugspersonen ausgesetzt. In jeglicher gesunden kindlichen Entwicklung steht in der Entwicklung zum erwachsenen, selbstständigen und unabhängigen Menschen auch der (Macht-)kampf und die Loslösung von den Eltern an. Von der frühkindlichen Trotzphase bis zur rebellischen Pubertät. Und jedes Kind/ Jugendliche durchlebte starke ambivalente Gefühle (gegenüber seinen Bezugspersonen) und leidet in diesen Phasen an den widersprüchlichen Wünschen nach intensiver Nähe und andererseits der Ablösung und Stärkung der eigenen Person in seiner ganzen Individualität und Einzigartigkeit mit Durchsetzung der eigenen Interessen und Wünsche. Und wie sehr sehnt sich der heranwachsende Mensch nach einerseits der Liebe, Achtung und Wertschätzung seiner Person und seines Wesens in all seinen Facetten und ohne Einschränkungen und andererseits wünscht man sich einen starken Elternteil/e die der Rebellion stand hält und in seiner gesamten Weisheit liebevoll und mit Güte den Überblick behält. Die/der weiß was gut für uns ist und in unserem Interesse handelt und uns gegebenenfalls Grenzen aufzeigt und uns schützt und auffängt und wieder aufrichtet.
Und ist es nicht genau das, was eine devote Person von seiner dominierenden Person erhofft. Jemanden, der die Stärke besitzt in ihrem Sinne zu handeln. Jemanden wo man sich uneingeschränkt sicher und geborgen fühlen kann. Jemanden, der einen richtig sieht, erkennt und annimmt in allen Einzelheiten und in der gesamten Einzigartigkeit. Ist das nicht herrlich in einer Welt, in der es durch die Unterschiedlichkeit und Vielfalt, aber eben auch durch die Menge an Schädigungen der einzelnen Persönlichkeiten an Kampf und Ablehnung nicht mangelt.
Jawohl, jeder Mensch musste in seiner Entwicklung schon mal das Gefühl der Machtlosigkeit und Ablehnung erfahren. Und waren die Eltern noch so liebevoll, so waren sie doch nicht fehlerlos. Niemand ist perfekt. Und des Weiteren begegneten uns Lehrer, Mitschüler und sämtliche andere Wegbegleiter unseres Lebens und jeder hat Schädigung in seinem Leben erfahren die sich schmerzhaft in der eigenen Persönlichkeit eingraben und nach Auflösung schreien.
In meinem Falle habe ich in der Kindheit und Jugend bis ins Erwachsenenalter hinein sowohl emotionalen, wie körperlichen, als auch sexuellen Missbrauch erfahren. Fast zwangsläufig sucht sich ein missbrauchtes Mädchen/ junge Frau immer wieder einen (psychopathisch) gestörten Partner am Beispiel seiner Primärbeziehung (Vater) und lebt dieses destruktive Beziehungsmuster immer wieder durch in der verzweifelten Hoffnung diesmal die Kontrolle über diese Situation zu erlangen und den Zustand zu verändern und aufzulösen und dass am Ende „die Liebe siegt“ und sie als Person anerkannt und angenommen wird. Leider hatte ich mich immer von krankhaft gestörten und charakterlich schwachen Männern dominieren lassen, leider auch mit körperlichen Gewalt und Demütigungen, die rein gar nichts mit Lustgewinn zu tun hatten.
Ich konnte dieser destruktiven und zerstörerischen Spirale erst entfliehen, indem ich mich langfristig von jedem Mann ferngehalten hatte und mich alleine meiner eigenen Person und der Heilung der ganzen vergangenen Verletzungen verschrieben hatte. Selbstliebe und Übernahme von Eigenverantwortung ist das Rezept!
Nun bin ich als absolut tough, selbstbestimmt und unabhängig im Alltag und Berufsleben und werde auch uneingeschränkt so wahrgenommen. Und ab diesem Punkt kam meine Entschlossenheit und der tiefe innere Wunsch in mir zutage mich auf dem „gesunden“ Pfad des BDSM zu begeben. Einen Raum zu haben und einen Menschen zu begegnen, bei dem ich nicht mehr nur die „Starke“ sein muss, wo ich nicht mehr kämpfen und mich behaupten muss, an dem ich abgeben kann, weil ich ihm vertrauen kann und mich in Sicherheit befinde, all dies ohne an persönlicher Stärke und eigenem Wille einzubüßen, eben ohne mich Selbst zu verlieren. Ja, ich will mich fallenlassen und hingeben mit dem Wissen, dass mein gegenüber die Stärke und das Feingefühl besitzt mich aufzufangen, über mich zu wachen, in meinem Sinne zu handeln, zu unsrer gegenseitigen Erfüllung. Ich will ihm mit meiner vollkommenen Hingabe, aufrichtigen Hinwendung und lustvoll Befriedigung schenken und seine uneingeschränkte Aufmerksamkeit und Wertschätzung genießen. Jeder Mensch sehnt sich nach bedingungsloser Liebe und Anerkennung.
Nun, das war meine Geschichte und meine Empfindungen. Mir ist klar, dass nicht jeder eines so dramatischen Lebensverlaufs bedarf um Gefallen an dem Spiel von Dominanz und Unterwerfung zu finden. Selbst im Erwachsenenleben kommt man immer wieder an den Punkt, dass man mal durch die äußeren Bedingungen nicht die alleinige Entscheidungsgewalt hat. Wie befreiend und lustvoll ist dann doch die Möglichkeit in einem sicheren und abgesteckten Rahmen die Kontrolle abgeben zu dürfen mit der Sicherheit, dass man aber am Ende nichts zu verlieren hat.
Ich hab meine Geschichte reingebracht, weil ich den Eindruck habe, dass leider einige (bis viele) devote Frauen unbewusst eben nicht den „gesunden“ Weg des BDSM beschreiten, sondern ihre unverarbeiteten Traumata mit ebenso geschädigten Partnern immer wieder neu durchleben und sich selber schädigen, sei es aus dem Gefühl der eigenen Wertlosigkeit oder dem Wunsch die Verantwortung komplett abzugeben ohne dem Erkenne was einem wirklich gut tut. Ich möchte Mut machen, in sich selbst zu blicken und zu erkennen was die wirklichen inneren Sehnsüchte sind. Und wären wir da nicht wieder bei Sicherheit, Vertrauen, bedingungsloser Liebe, Anerkennung, Wertschätzung und Respekt? Traut euch! Jeder ist liebenswert und einzigartig wertvoll!
Bleibt noch der Blick auf die andere Seite! Des ergreifenden Gefühls von Macht, Verantwortung und der Anerkennung durch Gehorsam und vollkommener Hingabe. Jedes Kind entwickelt auch Phantasien von Allmacht und was wünscht man sich bei Kontrollverlust mehr als uneingeschränkte Macht und Anerkennung seiner Person. Ich denke jeder Mensch hat sowohl devote und dominante Anteile in sich und es liegt dann an persönlicher Veranlagung und der weiteren Entwicklung sowie gesellschaftlicher Normen (Geschlechterrolle etc.) welchen Anteil man mehr Raum gewährt, bzw. sich entwickeln lässt. Oder man lebt im Alltag mehr den einen Anteil und gewährt zum Ausgleich dem anderen Anteil im anderen Kontext aus. Wie auch immer, jegliche Rolle gewährt einem (in einem gesunden Rahmen gelebt,) die Möglichkeit zur Entwicklung und der Überwindung von Ängsten und alten Verletzungen. Am Ende steht die Möglichkeit von Heilung, Wachstum und persönliche Freiheit.
Sorry- etwas viel Text. Wollte aber alles gesagt werden.
Kumiko
12. Februar 2016 — 10:31
Liebe Fee,
im Film ‚The Secret‘ wird erwähnt, dass 85% aller Menschen eine ’schlechte Kindheit‘ hatten. Diese Introjekte, die du da zitierst, übernehmen wir ja als ca. 28 Jährige selbst. Dann sind es nicht länger die Eltern. Wir hämmern uns das selbst ein. Um Defizite von damals auszugleichen, kann man/frau innere Kindarbeit machen, z.B. die Erwachsene Kumiko kauft der kleinen Kumiko die Barbie, die sie damals nicht bekommen hat. Darüber hinaus sind wir einander oftmals Erfüllungsgehilfen, indem wir an alten Traumata des Gegenübers herum drücken. Vor alle kennen Situationen, die uns vermitteln, wir sind nicht gut genug oder so, wie wir sind nicht akzeptiert. Die Werbung, Hollywood, die Kollektivschuld nach 70 Jahren ohne Krieg in Deutschland sind allgegenwärtig und zielen immer wieder darauf ab, an unsere niederen Instinkte anzuknüpfen. Ich kann mir deine These vorstellen, ist m.E. nicht umfassend genug. Ich kenne mich mit BDSM nicht allzu gut aus. Nur, es ist nicht dein Herr, der in dir etwas heilt, er hilft dir dabei und die große Arbeit liegt bei dir.
Who3
11. Februar 2016 — 21:58
Geliebte Fee
Viele Gespräche mit Frauen und Männern, zeigen immer wieder die Bedeutung des achtsamen Umgangs mit unseren Kindern.
Es ist fast unmöglich alles richtig zu machen aber vielleicht ist es schon genug nicht allzuviel verkehrt zu machen!
Andererseits ist es auch so: ohne unsere Erfahrungen sind wir nichts!
Jeder bestimmt sein Leben selbst!
Die gemachten Erfahrungen befähigen uns dazu Dinge zu tun, Dinge zu erleben die sonst außerhalb unseres Horizontes geblieben wären!
Also bleibt mir nur zu tun was mir gegeben ist: Als Mann, als Vater, als Künstler und als Löwe!
Montag
11. Februar 2016 — 18:47
Ich sehe unsere Gespräche sind nicht spurlos an dir vorbei gegangen 😉
Daher stimme ich dir auch in deinen Ausführungen rückhaltlos zu, möchte aber noch zwei Aspekte hinzufügen:
1. LUST DURCH BDSM
Warum Unterwerfung bzw. Dominanz eine erotische bzw. sexuelle Komponente beinhaltet? Dafür sehe ich zwei Gründe:
a) Für beide Seiten sind Schläge lediglich eine intensivere Form der Liebkosung. Bei „geistigen“ BDSM-Paaren nehmen Lob und Tadel nach erfolgtem Kräftemessen durch Aufgabenvorgabe und -erfüllung (oder Scheitern) dieselbe Funktion ein.
b) Liebesbeziehungen die mit BDSM beginnen enden nicht selten als Standard-„Vanilla“-Miteinander. Oder aber es kommt zu länger ausgedehnten Vanilla-Phasen bevor sich beide wieder auf ihre Wurzeln besinnen und entweder miteinander oder anderen Partnern BDSM wiederentdecken.
Dies zeigt: BDSMler sind zuerst Menschen, dann erst Doms oder Subs. Liebesbeziehungen zwischen ihnen folgen daher den elementaren Regeln JEDER Form menschlicher Paarbildung. Sexualität gehört zu diesen Grundsätzlichkeiten.
2. URSACHENFORSCHUNG
BDSM als Kompensationsmechanismus von erlittenen Traumata ist inzwischen Konsens der psychologischen Forschung. Allerdings geht es dabei nicht nur um soziales Fehlverhalten der Umgebung die in der Jugend verortet sind…
Eine Sub mit der ich mal gesprochen habe wäre bei der Geburt ihres Kindes durch Komplikationen fast verblutet. Um sich selbst zu schützen schaltete ihr Gehirn irgendwann ab, die Atmung setzte aus, sie „flog“ weg, aus sich selbst heraus, die wahnsinnigen Schmerzen hallten dabei aber noch nach. Sie bevorzugt heute Sessions bei denen z. B. auf sie angewandte Atemkontrolle in Kombination mit Schmerz das Grundthema darstellen.
Ein Sub berichtete mir dass er als junger Mann ins Eis eines nur leicht zugefrorenen Sees eingebrochen ist, und minutenlang unter der Wasseroberfläche trieb ohne atmen zu können (wie beim Film „Damien“/“Das Omen“). Auch bei ihm ist nach seinem Coming Out der Wunsch nach Atemkontrolle das Grundthema von Sessions.
Körperlich traumatische Grenzerfahrungen bilden daher die zweite Gruppe möglicher BDSM-Auslöser – und sie erklären warum manche Menschen zwar masochistisch aber weder devot noch dominant sind.
Mikesch
11. Februar 2016 — 17:36
Hallo Literarturfee,
es sind interessante Hypothesen und jeder hat seine, mehr oder weniger, gloreiche Entwicklung. Als Kind ist man immer (und als Erwachsener auch) emotional Abhängig, was schnell zu Mißbrauch führen kann.
Bei mir war es z.B. die katholische Erziehung, so hatte ich stets ein schlechtes Gewissen zu mastubieren. Zum Glück habe ich das über Bord geworfen und nun bin ich neugierig geworden, was alles an Luststeigerung bei mir so geht. Nur kann ich bei mir über BDSM gar nichts berichten, da ich in diesem Bereich mehr als ein Greenhorn bin, nämlich total unerfahren.
Die Lust am Sex hat viele Facetten und gehört ja auch mit zu unserem Urtrieb und hat auch, in der Tat, neurophysiologische bzw. auch rein physiologische Aspekte.
Bis hierhin erstmal
Lieben Gruß
Mike
dexal
11. Februar 2016 — 14:48
Deiner Hypothese kann ich durchaus was abgewinnen, was mich persönlich betrifft. Irgendwie war es das ständige streben nach die eigene Kontrolle behalten, gehört und beachtet zu werden. Eine Art von Missbrauch erlebt jedes Kind auf seine Art und Weise, und für jedes Kind ist die Intensität anders erlebbar. Hier kommen die Aspekte der Resilienz und auch der Sensibilität zum Tragen.
Eine weitere Hypothese für mich ist, dass ein Mensch mit einer dominanten/devoten Neigung eine rel. hohe Sensibilität benötigt.
Meine Erfahrung ist, wenn ein Dom zu wenig Gefühl hat, dann kann in einer Session nichts schwingen, und man kann auch nicht loslassen, kontrolliert sich ständig.
Im BDSM gibt man als devoter Part die Kontrolle kontrolliert ab. Man kann die Kontrolle nur abgeben, wenn man einem Dom vertraut, soweit vertraut, dass er nicht über einen drüber fährt. Wenn ich die Kontrolle im Vertrauen abgeben kann, dann wirkt es auch mich wie eine Erholung, eine kleine Auszeit, aus dem Alltag. In einer Session bekommt man extrem viel Beachtung und wird gehört…
Vergangenes bearbeiten hat im BDSM auch seine Berechtigung. Auch hier möchte ich nur von mir persönlich sprechen, aus Negativerfahrungen werden langsam Positiverfahrungen. Am Beispiel Schlagen, für mich ein extrem heikles Thema, aber es geht mir immer besser damit.
Thema „angenommen werden“, mit all seinen Facetten… ja! Es ist ein Moment indem man schwach sein darf, was in Leben kaum noch möglich ist.
Da ich zu denen gehöre, die ein doch recht bewegtes und hartes Leben hinter sich gebracht haben, ist für mich BDSM vor allem vergangene negative Gefühle ins Positive zu übertragen. Mein Körper zeigt mir oft sehr genau, dass mein Kopf sehr geprägt ist, sei es von gesellschaftlichen Aspekten oder der eigenen Vergangenheit. Mein Kopf sagt, dass eine gewisse Fantasie nicht in Ordnung ist, jedoch mein Körper reagiert sofort mit Erregung. Mittlerweile achte ich oft mehr auf meinen Körper und probiere, und so ändern sich langsam die Meinungen und Widerstände in mir.
Was mir nicht klar ist, warum ich auf Schmerz so stark reagiere. Auch meine noch immer verweigerte devote Seite macht sich in körperlichen Reaktionen bemerkbar. Diese Mechanismen sind mir noch nicht klar, jedoch habe ich irgendwann eine Idee für mich bekommen, die ich nicht als allgemeine Hypothese formulieren möchte. Auch auf mich persönlich bezogen, da mich dieser Teil meiner Erziehung sehr geprägt hat. Sexualität ist nichts schönes, es darf einem nicht gefallen und vieles gehört sich nicht. Mit Schmerz, Erniedrigung,… wird Sexualität intensiv und schön. Das Mittel dazu ist negativ behaftet, deswegen hebt es damit die eigene negative Meinung auf. Hoffe, ich konnte das jetzt verständlich erklären.
Was hier spannend wäre, gibt es eine neurophysiologische Erklärung für Lustschmerz?
Manchmal hört man vor allem von Dom’s, dass die devote Seite eine Art Urveranlagung der Frau ist. Diese Erklärung hinkt dann bei devoten Männern und dominanten Frauen.
Lg.
dexal