Die Spiele der Götter und das Chaos was sie hinterließen…

Vor vielen hunderten von Jahre, die genaue Jahreszahl ist heute leider nicht mehr wirklich eruierbar, saßen mal wieder so ein paar Götter beim Schlemmen im vollen Maße. Vollgefressen, halb besoffen mit bekleckerten Gewändern, wurden ihre Gespräche langsam ehrlicher und unverblümter. Der Alkohol war nicht ganz unschuldig daran und die Folgen schwerwiegend.

„Sag mal Zeusie, ich glaub da haben wir richtige Scheiße gebaut“ – „Ach, duuu, weißt immer alles besser“ sagte Zeusie und winkelte leicht den kleinen Finger vom Weinglas ab – „Na ja komm, sein wir mal ehrlich, die überglücklichen, fidelen Kugelmenschen werden langsam übermütig und gehen mir tierisch auf den Sack! Und wenn wir nicht baldmöglichst etwas unternehmen, machen die mit uns was sie wollen und wir können uns unsere netten Schlemmerabende von der Backe schmieren“ – grrrr grummelte Erosinus „Wo du recht hast, hast du recht“ – Platonowitz blödelte rum und grurre leise aber mit hörbaren Lauten „Hmmmm diese vier Arme und Beine waren wohl ein Bisschen viel des Guten, mit der Geschwindigkeit können wir nicht mithalten“ – „Ne ne“ sagte Ramazotti “da ist was anderes im Spiel…. Diese Vereintheit, diese Vollkommenheit, diese Ganzheit, diese Leidenschaft… Dagegen kommen wir nicht an… und das auch noch in drei Varianten: komplett männlich, komplett weiblich und deine tolle Mischerfindung… du blöder Perfektionist muss es aber auch immer übertreiben…..“ – „Ja, ja, du hast gut reden, du Rammler…. Aber wenn ich dir einen blase, ist dir das in aller Perfektion recht, oder?“ – „Lasst gut sein“ sagte Zeusie „mit dem Blasen könnt ihr euch später in aller Innigkeit beschäftigen, es sei euch gegönnt“ – „Ähhhhh, wenn ich mal unterbrechen darf“ warf der eher stillere aber pragmatisch durchdachte Akolotitz ein, „ich befürchte es verlangt schnelles Handeln, die rollen gerade rauf und es dürfte nicht allzu lange dauern, dann stehen sie vor der Türe“ – „Lasst uns die Feuerwerkskörper holen“ sprach Erosinus „es ist Zeit für ein neues Experiment“….

Und so geschah es, dass sechs ziemlich besoffene Götter auf ihre zuvor erschaffenen Kugelmenschen mit einem bunten Feuerwerk schossen, bis sie alle entzweit waren. Ihre Kräfte halbierten sich, wie auch ihre Vollkommenheit, Ganzheit und Leidenschaft. Wild durcheinandergewürfelt in alle Himmelsrichtungen verstreut, machten sie sich seit dem auf die sehnsuchtsvolle Suche nach ihrer zweiten Hälfte. Ihre Geschlechter lechzten nach Verschmelzung in vollkommener Leidenschaft. Gefangen in dieser unendlichen Sehnsucht, sich wieder zu finden. Eine Reise, die Jahrhunderte, manchmal Jahrtausende von Wiedergeburten dauerte und immer noch anhält……

(Inspiriert durch einem Mythos aus alter Zeit: http://de.wikipedia.org/wiki/Kugelmenschen#cite_ref-1)

Zweimillionen Kilometern, auf einer anderen Sternenwolke, zu einer sehr ähnlichen Zeit saßen Gottfried und Theodor und spielten Schach. Der Chardonnay floss hier etwas gemächlicher und die Diskussion etwas philosophischer oder anders gesagt noch nicht völlig besoffen. Gottfried in seinem mit kleinen weißen Federn besetzten Gewand, räkelte sich auf seinen Sessel, Theodor in seinem maßgeschneiderten rot-schwarzen Anzug, saß mit energischer Miene da und rauchte eine Zigarre. Manchmal rauchte es auch ein wenig aus seinen Ohren und Nasenlöchern, aber daran hatten sich beide gewöhnt, er war halt wie er war. „Und wie läuft dein neues Harmonieprojekt Erde?“ fragte Theodor mit einer Miene, die seine Meinung dazu direkt mitimplizierte. „Och ganz wunderbar… Alles ist nett und schick, alle haben sich lieb, die Harmonie lebt, wo immer man auch hinschaut“ antwortete Gottfried mit etwas gespielter Überzeugtheit. „Und, ist dir dabei noch nicht langweilig geworden? So pure Harmonie kann doch auch irgendwann anöden und ist doch auch irgendwie langweilig“ setze Theodor kritisch hinzu. Gottfried war hin und her gerissen, einerseits befand sich darin etwas Wahrheit, vielleicht mehr, als er sich zugestehen wollte, andererseits die Befürchtung, was Theodor nun schon wieder ausheckte. Aber da ihn gerade die Kontraste seines Mitspielers in seiner tatsächlichen Langeweile reizten, ließ er sich darauf ein, dass Gespräch zu vertieften. „Ich würde gerne mitspielen bei deinem Projekt… Lass uns das ganze doch etwas spannender gestallten…“ erwiderte Theodor mit einem leicht hämischen Grinsen und herausforderndem Blick. Gottfried war hin und her gerissen, aber da er Langeweile nicht ausstehen konnte und immer wieder dem Spiel der Herausforderungen zugeneigt war, ließ er sich nach einigem Gedruckse dann doch darauf ein.

Und so begann eine heitere Produktionsdiskussion über sieben Tagen, während der es auf der Erde von Sternschnuppen und Blitzen auch nur so hagelte. Sie erfanden, unter anderem, die Gefühle vielfältigster Art. Gottfried die Kreativität, Theodor den Zweifel, Gottfried die Liebe, Theodor die Erotik und Gier, Gottfried die Geborgenheit, Theodor den Hass, Gottfried das Miteinander, Theodor die Einsamkeit… vorerst, ohne groß nachzudenken, tobten sie sich in ihrem Spiel, die Erde mit den unterschiedlichsten Gewürzen zu bestreuen, heiter aus… bis sie irgendwann mehr und mehr stutzen und merkten, dass ihre Erfindungen nicht immer eindeutig gut oder böse waren. Die Liebe konnte etwas sehr Schönes sein, aber verbunden mit der Sehnsucht, auch ihre Leiden mit sich bringen und wenn dann noch beispielsweise die Eifersucht hinzu kam, wurde es richtig kompliziert. Die Erotik konnte unter die Haut gehende körperliche Gefühle auslösen, bis hin zu völligen Ekstasen, aber auch ins unermessliche, fast tierische übergehen. Die Moral setzte Grenzen, manchmal vielleicht vernünftige, aber gleichzeitig entstand auch die Versuchung, ihr zu wiedersprechen und sie in Frage zu stellen. Die Intelligenz und Kreativität konnte Wunderbares erschaffen aber nicht nur Wunderbares sondern auch Grausames…. Und so wussten die zwei bis dato gelangweilten Helden der Erfindung im Nachhinein manchmal nicht mehr so ganz genau, wer eigentlich was fabriziert hat.

Die Folgen dieser verspielten und zugleich hoch philosophischen sieben Tage, wurden Ihnen auch erst später bewusst. Nach einem langen, aber erforderlichen Nickerchen, blickten die zwei noch mit sandigen verschlafenen Augen auf die Erde hinab und erkannten fast nichts wieder… Das ehemalige Paradies hatte sich in ein lebendiges Etwas mit vielseitigen unberechenbaren Faktoren verwandelt. Es gab von nun an eine Menge zu tun und manchmal wussten sie gar nicht, wo ihnen der Kopf stand. Trotz des Heranziehens von vielseitigen Helfern, der verschiedensten Naturen, Feen, Heiler, Hexen, Engel, Zauberern und vielen mehr, wurde ihnen bewusst, dass sie nie immer an allen Orten gleichzeitig sein konnten. Oft gab es heitere und weniger heitere Diskussionen, wo sie eingreifen sollten und wo nicht und manchmal hatte das Eingreifen Folgen, die vorher kaum absehbar waren. Nur eines war klar, ihr zuvor sehr entspanntes, manchmal langweiliges Existieren, war vorbei.

Und so sieht nun unser Menschendasein aus, erschaffen aus dem Spiel der Götter. Immer wieder fragen wir uns, wer mag wohl meine Kugelhälfte gewesen sein? Manchmal glauben wir sie gefunden zu haben und doch wiederspricht die Zeit immer wieder mal diesem Gefühl. Die Gefühle sind nicht statisch, sie stehen in ständiger Wandlung. Einige sind mit ihnen überfordert und versuchen sie zu verbannen, doch manchmal geschehen Dinge, die sie in ihrem Dasein wieder erwachen lassen. Andere lernen mit ihnen zu leben, mit ihren Höhen und Tiefen und in ihren Veränderungen, die die Zeit mit sich bringt. Die Unberechenbarkeit der Wandlung ist das Einzige, was vollkommen ist. Das Leben ist ein Kampf der Sehnsüchte und Gefühle, die Komplexität ist schwer durchschaubar. Manchmal gelingt es und manchmal bleibt sie ein sich wandelndes Labyrinth. Vieles gibt uns Kraft für diesen Kampf, der Herausforderung, die uns das Leben stellt, die Chance unserer Entwicklung. Vieles treibt uns, einiges lähmt uns. Jeder entscheidet für sich, welchen Weg er geht, wie er diesen Weg geht, was er auf seiner Reise mitnimmt, welche Irrwege er geht und wieder verlässt, ob er stehen bleibt oder weiter geht, wieviel Mut er sich traut zu leben und was er sich verbietet… doch das Bewusstsein, dass es jeder von uns für sich entscheidet ist nicht immer wach.

Die Spiele der Götter, was haben sie uns geschenkt? Unsere Geschichten, unser Angst, unsere Träume, unsere Tränen, unsere Gier, unsere Sehnsüchte, unseren Mut, unsere Vernunft, genauso aber auch Unvernunft, das Gefühl der Tiefe der Liebe eines anderen Manschens, aber auch den Schmerz, dieses zu verlieren, den Genuss, die Hingabe in der Leidenschaft und so viel mehr…

Was für ein göttliches Geschenk…

« »